Nikolaus - Klossatreiben - Bärbelestreiben
Anfang Dezember gibt es einige bedeutsame Tage: der 4. Dezember (Barbara-Tag) und der 5./6. Dezember (Nikolaus).
Noch aus Kindertagen weiß man ja, daß da der Nikolaus kommt.
Und das ist ja immer etwas zwiespältig gewesen. Zum einen hatte
man schlichtweg Angst und die Hosen voll, und zum anderen war man aber
auch aufgeregt, weil er was brachte.
Nikolaus war immer eine große und stattliche Person und sah unglaublich
beeindruckend aus. Und er hatte einen dabei, vor dem mußte man sich fürchten.
Das war so einer mit einem großen Zottelfell - der Knecht Rupprecht (er
wird auch Krampus genannt oder im Allgäu Kloaß). Letzterer hatte
eine große Rute, mit der er einen zur Strafe für Missetaten schlagen
konnte. Und er hatte den großen Sack, wo die Belohnungen drin waren.
Wir haben wieder einmal versucht, in alten Volksbräuchen zu forschen
und Hintergründe dieser Bräuche zu erkunden.
Es ist ja immer interessant, wie Dinge entstanden sind, wo wir heute die Zusammenhänge
gar nicht mehr erkennen können.
Und gerade die Feste und Bräuche waren immer eine Möglichkeit für
die Menschen, an tiefe Wahrheiten anzuknüpfen und Antworten zu bekommen.
NIKOLAUS
Um Nikolaus herum gibt es immer noch seltsame alte Bräuche, die
sich über Jahrhunderte gehalten haben, trotz christianisiertem Heiligen
Nikolaus mit Bischofsmütze. So wie immer noch der Knecht Rupprecht
neben dem Nikolaus läuft und die Gestalt ist, die irgendwie Rätsel
aufgibt, die unheimlich ist, die ein Relikt dieser alten Bräuche
ist, die man nicht ausradieren konnte.
Eigentlich kommt dieser Heiliger ja aus Kleinasien, genannt Nikolaos, wobei "nikos" der
Sieger bedeutet und "laos" das Volk. Also Sieger des Volkes.
Er wurde erst sehr spät über die Alpen zu ins importiert.
Der 6. Dezember soll sein Todestag sein.
Im Allgäu und im gesamten Alpenland sind noch viele alte Bräuche
lebendig. Dort kann man schauen, was noch übrig geblieben ist aus
einer Zeit vor dieser Importierung.
Ein Brauchtum, das über Jahrhunderte gewachsen war und dem dann dieser
Heilige mit der Bischofsmütze vorgesetzt wurde.
Und im Allgäu zum Beispiel hat die Figur des Rupprecht noch eine ganz
eigenständige Bedeutung.
Dort gibt es am 5./6. Dezember die sogenannten "Klossatreiben", wo
die Männer mit Fell- oder Zottelkleidung, mit Masken und wilden Mähnen,
mit Glocken, Schellen und Ruten durch die Ortschaften jagen und an die Häuser
schlagen, die Bewohner erschrecken und ihr wildes Treiben haben.
Diese Klossa, die heute nur noch als Knechte des Nikolaus geduldet werden,
sind dort noch frei und wild und eigenständig.
Klossatreiben und die Percht
Diese Klossa unterstehen der PERCHT, nicht dem Nikolaus.
Die PERCHT ist eine uralte alpenländische Göttin, die besonders im
Winter ihre Hoch-Zeit hatte.
Diese Klossatreiben werden auch Perchtentreiben oder Perchtenläufe genannt.
Und die Klossa sind im Gefolge der Percht. Sie sind ihr wildes Heer und unterstehen
ihr.
Von der Persönlichkeit her wird die PERCHT immer beschrieben wie die ansonsten
besser bekannte Frau HOLLE. Wobei der PERCHT mehr die Rolle unter der Erde
zukommt. Dieser spezielle Aspekt, der mit Tod, Wiedergeburt und Transformation
zusammenhängt. Weswegen vor allem die Winterfeste mit der PERCHT in Zusammenhang
gebracht werden.
Ein den meisten bekannter Ort im Alpengebiet ist ja "Berchtesgaden" und
das heißt übersetzt "Garten der Percht". Auch der Name "Berta" kommt
von PERCHT. Und viele mehr.
Viele der Perchten-Orte verwandelten sich später zu Peters- ode Perchtolds-Orten.
PERCHT leitet sich eigentlich ab von dem althochdeutschen PERAHT "leuchten,
strahlen".
Im Kymbrischen bedeutet BERTH "hell, schön".
Die leuchtende Göttin ist derart strahlend, daß kein Irdischer sie
schauen kann oder darf. Es ist riskant, die Göttin zu schauen, ohne darauf
vorbereitet zu sein.
Erst viel später - mit dem Absinken der alten Götter ins Reich der
Dämonen - bekam die einst strahlende Göttin immer mehr fratzenhafte
und dunkle Züge.
BÄRBELE-TREIBEN
Und am 4. Dezember findet im Allgäu immer noch das sogenannte "Bärbele-Treiben" statt.
Also vor Nikolaus.
Der 4. Dezember ist der Namenstag der BARBARA.
Und es ist schon interessant, daß sich diese Bärbele-Treiben oder
am Rhein der Gabentag für die Kinder so lange gehalten hat.
Der Name "BARBARA" ist auch ein uralter Name, der in seiner Bedeutung
zur Percht und dem schwarzen Aspekt der Göttin paßt.
Bis heute ist im Volksmund der Name der Erdmutter als "Bethe" nachzuweisen.
Im römischen als phonetische Entsprechung "Parzen". Auch diese
Parzen gab es in Dreier-Gestalt.
Und die Bethen sind bekannt als Ambeth, Wilbeth und Borbeth.
Letztere Borbeth ist wiederum namensverwandt mit Barbara, wie auch die Abkürzung "Babett" zeigt.
Dieses BETH kommt wie auch unser Bett von ein und derselben Wortbedeutung.
Es ist schlichtweg der Name der Erde selbst.
Im Hebräischen bedeutet diese Wortsilbe BETH "Haus, Wohnstätte".
Und das war in früherer Zeit die Erde selbst und kein gemauertes Haus.
Es war z.B. eine Erdhöhle oder auf jeden Fall ein ganz nahes Verbundensein
mit der Erde selbst, aus der alles kam und zu der alles zurückkehrte.
Und bei den Runen gibt es die Rune BAR, die auch genau diese verschiedenen
Aspekte verkörpert.
BAR steckt in ge-bären, ge-borgen, aber auch Toten-Bahre.
Geburt und Tod - geborgen in der großen Mutter.
Das war das vorherrschende Gefühl der damaligen Menschen, daß alles
geborgen war in dieser Erd-Mutter, der Großen Göttin. Alles Schöne,
aber auch alles sogenannt Schreckliche, vor dem wir heute soviel Angst haben,
weil eben nichts mehr geborgen erlebt wird.
Wir sind alleine!
Diese Menschen waren nie und zu keiner Zeit und in keiner Situation alleine.
Sie waren immer geborgen!
Das drückt besonders die Verdoppellung von BAR aus in BARBARA.
Und das ist auch das Wesentliche in dieser Zeit des Winters, der Zeit der Dunkelheit,
der Angst, des Sterbens...
Man bracht ganz besonders viel Wärme, Geborgenheit und letztendlich MAMA.
Und dieses Bärbele-Treiben im Allgäu und auch das Klossatreiben
ist eine Huldigung an diese große MAMA.
Eine Huldigung und ein Respekt vor dieser MAMA, die einen durch alle Phasen des
Lebens führt - durch Geburt und Tod - und die einen immer geborgen in den
Armen hält.
Das war der Sinn dieser Feiern.
Und in dem Sinn auch die kleinen Gechenke, die den Kindern gebracht werden.
Zuwendungen, die einem eine kleine Freude gaben in einer schweirigen Zeit und
die daran erinnern sollten, dass die GROßE MAMA einen nicht verläßt
und einen immer wieder beschenkt.
Und zwar BEDINGUNGSLOS !
Da erst viel später diese Gaben damit verbunden wurden, ob ein Kind gut
oder böse war. So in der Art von Strafe und Belohnung. Eine Beschenkung
nach moralischen Gesichtspunkten, die es davor eben gerade nicht gab.
Die Gaben der Barbara waren ohne Bedingung für alle!
Die Bärbele im Allgäu - in Oberstdorf z.B. - tragen Fetzengewänder,
Masken und Besen.
Vielfach sind diese Kleidungsstücke aus dem Fundus der Ahnen, Großmütter
usw. Entweder eine alte Kittelschürze oder das Kopftuch der Oma.
Diese Gewänder sind somit auch eine Huldigung oder auch Ehrerbietung an
die Ahninnen jeder Frau, die mitläuft.
Ein weiteres Bild des Geborenwerdens aus den eigenen Vorfahren und damit des
Aufgehobenseins und Geborgenseins in einem großen Netz oder Ganzen.
Dunkelheit - Wahnsinn - Macht
Ein weiterer sehr wichtiger Punkt ist die dunkle Seite der großen
Mutter, die hier gerade in diesem Bärbeletreiben und auch im Klossatreiben
ihren Ausdruck findet.
Bei der Percht und ihrem Gefolge, bei den Klossa, den Knecht Rupprechts und
dieser ganzen Zeit geht es vor allem um die Schattenseiten im Menschen.
Um seinen ganzen Wahnsinn, seine Abgründe, seine Hysterie, seine Wut,
seine ganze Wildheit.
Um alles das, was sonst nicht so gerne gesehen wird, was man in seine seelischen
Kellerräumen versteckt, keinem zeigt und selten rausläßt.
Alles da, was normalerweise der Moral und den engen Gesetzen des So-nicht-sein-dürfens
unterliegt.
Aber alles das ist trotzdem in einem und fordert seinen Platz.
Und diese ritualisierten Feste waren ein besonderes Feld, wo man solche Zustände
unter dem Segen des Rituals und der Großen Göttin ausleben durfte.
Wo es sogar wichtig und richtig war, bis hin zu einem heiligen Zustand der
Raserei.
Und dabei konnten die Menschen auch erleben, welches Potential in ihnen steckte
oder in solchen Zuständen. Welche Quelle der Macht und Kraft darin verborgen
lag.
Und diese rituellen Feste gaben einem ein Rüstzeug für den Alltag
und den Umgang mit solchen Gefühlen und Zuständen.
Die Menschen konnten sich an diese seelischen Bilder und Gefühle erinnern,
konnten anknüpfen und in Situationen großer Not, wo man wieder in
die Nähe des Wahnsinns kam - wie es z.B. beim Thema Verlust und Tod auftreten
kann - konnten sie den Schmerz zulassen und leben als einen Teil der Großen
Mutter, der auch seine Berechtigung und seinen Platz hat.
Das waren ein paar Gedanken und Beschäftigungen zu den Brauchtumshintergründen
von Nikolaus und um Nikolaus herum.